10.
November 2023

Nora Kaiser ist seit 100 Tagen im Amt

Ein Interview mit der Präsidentin LEGR

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Was war in den ersten hundert Tagen im Präsidialamt des LEGR dein Highlight?

Meine Highlights waren alle Treffen mit der «Basis»: An der Jahrestagung habe ich mich gefreut, so viele Delegierte und Besucher:innen zu sehen und kennenzulernen. Zudem haben wir im Schulhaus Maloja die Magistrale Bregaglia zu einem Austausch getroffen. Am «Di da romontsch» der Conferenza generala Surselva in Ilanz durfte ich ebenfalls viele Lehrpersonen kennenlernen. Beim Austausch mit den Lehrpersonen merke ich, was momentan unter den Nägeln brennt und lerne die unterschiedlichen Berufsrealitäten kennen. Besonders schön ist die Begeisterung für den Beruf, den ich dabei spüre. Unsere Kinder haben ein grosses Glück mit so vielen motivierten Lehrkräften, die sich weit über das Erwartbare hinaus engagieren. Wären Lehrpersonen nicht von einer solch grossen intrinsischen Motivation getrieben, ginge es dem System Schule unter den momentanen Bedingungen sehr viel schlechter. Nun müssen wir diese hohe Qualität sichern und dafür sorgen, dass Lehrpersonen bessere Zukunftsperspektiven erhalten.

 

Und was war ein Tiefpunkt? Oder möchtest du diesen lieber nicht öffentlich machen?

Als die Vernehmlassung für die Teilrevision des Schulgesetzes veröffentlicht wurde, sass ich mitten in der Grossratsdebatte. Beim ersten Überfliegen der Vernehmlassung habe ich folgendes registriert: Gleichstellung Kindergarten – toll! Altersentlastung für alle Pensen – toll! Danach kam die grosse Ernüchterung, als ich die Erläuterungen in aller Ruhe durchlas. Wie so oft steckt der Teufel halt im Detail. Aber das Gute ist: Noch ist es nicht gelaufen, und es haben sich bereits viele Teams und Institutionen in unserem Sinne geäussert. Hoffen wir nun, dass die Regierung den Handlungsbedarf anerkennt.

 

Die Vernehmlassung zum Schulgesetz hat einen Monat nach deinem Amtsantritt gestartet. War das  ein herausfordernder oder eher ein interessanter Start?

Das war ein Steilstart; ich konnte medias in res mitarbeiten und mitgestalten. Selbstverständlich bin ich froh um die erfahrenen Mitglieder der Geschäftsleitung, die mir inhaltlich vieles erklären konnten. Insgesamt ist es eine gute Erfahrung und ich behaupte, dass ich so schnell ins Amt hineingefunden habe. Mir war der Steilstart lieber, als dass wir weitere Monate auf die lang ersehnte Vernehmlassung hätten warten müssen.

 

Was lässt sich aus der Arbeit als Gymnasiallehrerin auf die Volksschule übertragen?

Das bin ich erst am herausfinden! Ich freue mich aber sehr, dass einige meiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler sich für den Lehrberuf entschieden haben und nun an der PH Graubünden sind.

 

Was/Welche Stärken kann die Gymnasialstufe von der Volksschule lernen/übernehmen?

Die Gymnasien sehen sich in der komfortablen Lage, dass es immer einen Plan B gibt, wenn es für eine Schülerin oder einen Schüler nicht reicht. Ich behaupte, dass die Volksschule rascher auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren muss, um allen Kindern gerecht zu werden. Während die Volksschule permanent an innovativen Schulsettings arbeitet, wirkt das Gymnasium oftmals etwas träge und verstaubt. So würde es auch dem Gymnasium guttun, die starren Fächergrenzen zu hinterfragen. Und bei vielen Lehrpersonen steht noch immer das Unterrichten von Fachwissen vor dem kompetenzorientierten Lernen. Da wünschte ich mir etwas mehr Bewegung. Hinsichtlich der Integration sind mittlerweile auch am Gymnasium grosse Veränderungen spürbar, wir sprechen erst jetzt breitflächig über Nachteilsausgleiche, Binnendifferenzierung etc.

Datum

10.11.2023