19.
August 2023

Doppelinterview - Nora Kaiser und Laura Lutz

Die abtretenden LEGR-Präsidentin Laura Lutz und die neue LEGR-Präsidentin Nora Kaiser haben sich gegenseitig fürs Bündner Schulblatt interviewt, bevor die Stabsübergabe stattfand und sich die Wege der beiden Frauen trennen.

Nora: Was hat dein Engagement als Präsidentin die letzten drei Jahre besonders geprägt?

Laura: Wie wahrscheinlich die meisten Personen, welche in den letzten drei Jahren irgendein Amt bekleiden durften, hat mich die Situation um das Coronavirus sehr beschäftigt und gefordert. Insbesondere zu Beginn meiner Amtszeit hatte ich enorm viele Medientermine. Kaum gab es neue Weisungen klingelte bei mir das Handy. Es war fast immer die gleiche Frage - «Was sagen denn die Lehrpersonen dazu, dass…?» Im Bewusstsein, dass ich unmöglich die Meinung und Haltung aller Lehrpersonen zu diesem brennenden Thema wiedergeben konnte, habe ich stets versucht unser Hauptziel zu kommunizieren. Dieses war, die Schulen offen zu halten und uns zeitgleich für die Sicherheit und die Gesundheit der Kinder und Lehrpersonen einzusetzen. Ich habe in dieser Zeit zahlreiche Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern geführt und gesehen, wie die Schulhausteams sich gegenseitig unterstützt haben. Dass viele Lehrpersonen in dieser Zeit über sich hinausgewachsen sind, hat mich sehr bestärkt, mich für unsere Mitglieder und unseren Berufsstand einzusetzen.

Laura: Was war der entscheidende Grund, dass du für das Amt kandidiert hast?

Nora: In den letzten drei Jahre habe ich für die SP Graubünden als Sekretärin gearbeitet. Diese Arbeit war sehr interessant und ich habe viel über Bündner Politik gelernt und mich vernetzt. Gerade die Kampagnenarbeit war dabei oftmals geprägt von den grossen Fragen, wohin es politisch mit unserem Kanton gehen soll. Die Aussicht auf sehr konkrete inhaltliche Arbeit im Berufsverband hat mich gereizt. Und dass ich mich künftig für die Lehrerinnen und Lehrer im Kanton einsetzen darf, erfüllt mich mit Freude und etwas Ehrfurcht. Wichtig ist zu betonen, dass ich nun die Präsidentin aller Lehrpersonen bin, auch wenn ich bisher klar parteipolitisch unterwegs war. Ich werde künftig also mit unterschiedlichen Hüten unterwegs sein: Zum einen mit dem Hut der SP-Grossrätin, zum anderen mit dem Hut der LEGR-Präsidentin. Die Mitglieder des LEGR können also darauf zählen, dass ich bei Bildungsthemen die Interessen der Lehrpersonen über Parteiinteressen stelle.

Nora: Welche Themen werden in kommender Zeit von besonderer Bedeutung sein?

Laura: Das wichtigste Thema der nächsten Monate wird die Teilrevision des Schulgesetztes sein. Während ich diese Zeilen schreibe, erwarten wir in den kommenden Tagen den Start der Vernehmlassung. Diese Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der Bündner Lehrpersonen sind für den LEGR essenziell, um die Attraktivität des Lehrberufs im Kanton Graubünden zu steigern und gute Lehrpersonen im Beruf zu erhalten. Welche Themen den LEGR dann weiter beschäftigen, hängt stark vom Ausgang dieser Teilrevision des Schulgesetzes ab. Das Thema Integration wird weiterhin auf der Agenda stehen.

Auch dem regelmässigen Austausch mit den Schulsozialpartnern und dem AVS misst der LEGR sehr viel Bedeutung zu. Ein weiteres Thema ist die bereits laufende Überprüfung der Verbandstrukturen. Liebe Nora, es wird nie langweilig im LEGR.

Laura: Für welches Thema der Bündner Bildungslandschaft brennst du besonders?

Nora: Ich erachte es als Privileg, dass ich in Chur den rätoromanischen Kindergarten besuchen konnte und so die Kultur meines Vaters auch ausserhalb des Familienkontextes mitbekommen habe. Die Mehrsprachigkeit im Kanton ist für mich ein Wert, auf den wir besonders Acht geben sollten. Der Schlüssel für den Fortbestand der gelebten Mehrsprachigkeit ist die Schule: Hier werden sprachspezifische Kulturgüter wie Lieder und Literatur jeweils ganzen Generationen weitergegeben. Deshalb brauchen Lehrpersonen in rätoromanischen und italienischen Sprachgebieten gute Lehrmittel und die bestmögliche Ausbildung.

Besonders aktuell ist aber das Thema der Revision des Schulgesetzes. Selbstverständlich brenne ich für alle sechs Forderungen des LEGR, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lehrpersonen voranzutreiben.

Nora: Wo besteht in Graubünden Nachholbedarf im schweizerischen Vergleich?

Laura: Das ist eine sehr spannende Frage. Schule ist in jedem Kanton und bei uns sogar in jeder Gemeinde unterschiedlich geregelt. Dieser Föderalismus bringt Vor- und Nachteile mit sich. Nur so ist es möglich den unterschiedlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten der einzelnen Kantone resp. Gemeinden gerecht zu werden. Als einziger dreisprachiger Kanton spüren wir dies sehr stark. Ein messbarer Nachholbedarf besteht bei den Löhnen im Kindergarten und in der Primarschule. Dort muss etwas unternommen werden, um im Wettbewerb mit den anderen Kantonen mithalten zu können. Für unsere romanisch- und italienischsprachigen Schulen braucht es Lehrplan21- kompatible Lehrmittel. Ein Vergleich mit den Möglichkeiten der Deutsch- und Französischschweiz ist hier nicht passend, aber es besteht Aufholbedarf. Der Kanton hat sich aber auch schon auf den Weg gemacht. So sind in den letzten Jahren Angebote für familienergänzende Kinderbetreuung auf- und ausgebaut worden. Schule ist eben ein sich mir der Gesellschaft wandelnder Prozess. Stillstand gibt es nicht und Veränderung braucht Zeit.

Laura: Als Präsidentin des LEGR wirst du an zahlreichen Sitzungen und Treffen teilnehmen oder diese leiten. Du wirst den Verband in der Öffentlichkeit repräsentieren und Interviews geben. Die wichtige Beziehungspflege zu den Schulsozialpartnern, dem AVS und dem Dachverband (LCH) stehen ab jetzt auf deiner Agenda. In der Redaktion des Schulblattes wirkst du künftig auch mit. Die Aufgaben sind vielfältig und es wird nie langweilig. Worauf freust du dich besonders?

Nora: Ich freue mich auf die Aussicht, intern eng mit der Geschäftsstelle sowie den Gremien des LEGR zu arbeiten und extern in Austausch mit Mitgliedern des AVS, des Grossen Rats, der PH Graubünden und weiteren Stellen zu stehen. In diesem Kontext ist es zentral, lösungsorientiert zu arbeiten, um die bestmöglichen Verbesserungen für die Lehrpersonen Graubündens auszuhandeln.

Ausserdem möchte ich mich für ein positives Bild der Schule und der Lehrpersonen in der Öffentlichkeit einsetzen. Mich stört die Tendenz, dass Lehrerinnen und Lehrer ihr Bestes geben und immer wieder öffentlich kritisiert werden. Schliesslich brauchen wir nicht nur mehr PH-Absolvent:innen, wir brauchen motivierte Lehrpersonen, die dann auch langfristig im Beruf bleiben.

Nora: Du hast bewiesen, dass der LEGR krisenerprobt ist. Was möchtest du mir mit auf den Weg geben?

Laura: Verliere nie den Kontakt ins Schulzimmer, zu den Lehrpersonen aller Stufen und Fachschaften. Pflege die Kontakte zu den Schulsozialpartnern, denn gute Schule ist ein Gemeinschaftswerk. Besonders in herausfordernden Zeiten braucht es Zusammenhalt. Ich wünsche dir, dem LEGR und der Bündner Schule alles nur erdenklich Gute für die Zukunft.

Datum

19.08.2023